Der Einsatz hat sich gelohnt
Sie hatten alle einen gemeinsamen bescheidenen Wunsch: Sie wollten einem Wiesbadener Tennisclub beitreten und mit ihren Familien im Sommer kleinen runden Filzbällen hinterher rennen. Doch das war vor 25 Jahren gar nicht so leicht. Boris Becker, Michael Stich und Steffi Graf steckten noch in den Kinderschuhen. Von einem Tennisboom war Deutschland weit entfernt. Tennisplätze waren Mangelware.
In den 70er Jahren zählte der weiße Sport zu den exklusiven Freizeitbetätigungen und wer dazu gehören wollte, musste kräftig in die Tasche greifen oder wurde auf eine lange Warteliste gesetzt. Selbst Vitamin B reichte nicht immer, um in einem Wiesbadener Tennisclub Mitglied zu werden. In und um Wiesbaden herum herrschte Aufnahmestopp. „Der generelle Platzmangel in Wiesbaden war das Resultat einer verfehlten Sportpolitik der Stadt, die bis zu dem damaligen Zeitpunkt ausschließlich auf „Plätze für Jedermann“ setzte und Tennisspieler auf die von der Stadt betriebenen offenen städtischen Anlagen verwies“, erinnert sich Dr. Johannes Brandrup, der 1974 mit seiner Familie nach Wiesbaden kam und einfach nur Tennis spielen wollte. Um den begehrten Berechtigungsschein für die städtischen „Jedermannplätze“ zu ergattern, musste man sich einmal im Monat in aller Herrgottsfrühe - vor 6 Uhr morgens - anstellen. Mit dieser Situation wollte sich der damals 43-Jährige in keiner Weise zufrieden geben. „Den Einstieg in unsere geplanten sportlichen Aktivitäten hatten wir uns in Wiesbaden eigentlich leichter vorgestellt“, erinnert er sich. Nachdem Dr. Brandrup die Aussichtslosigkeit seines Vorhabens erkannte, fasste er einen Entschluss: Die Gründung eines eigenen Tennisclubs in Sonnenberg. Also machte er sich als Klinkenputzer auf den Weg und führte zahlreiche Gespräche mit der Stadt Wiesbaden und dem Leiter des Sportamts. „Erfreulicherweise stieß mein Projekt bei den Stadtvätern auf offene Ohren. Zu dem damaligen Zeitpunkt fand bereits ein Umdenkungsprozess im Rathaus statt, dem die Missstände der städtischen Jedermannplätze mittlerweile auch bekannt waren.“ Doch Dr. Brandrup freute sich zu früh, er ahnte nicht, dass vor ihm noch ein langer steiniger Weg lag.
PlatzsucheDer erste Versuch, eine geeignete Fläche gleich oberhalb des Sonnenberger Friedhofs zu pachten, schlug fehl, da aufgrund Hessischen Erbrechts sich hier nur sehr stark zersplittertes Privateigentum befindet. Die Verhandlungen mit Dutzenden von Eigentümern erwies sich schnell als zeitraubend und aussichtslos. Angenehmer Nebeneffekt: „Ich lernte alle noch existierenden Bauernhöfe in Alt-Sonnenberg kennen.“ Doch der promovierte Chemiker gab sich noch nicht geschlagen. Mittlerweile war bereits ein halbes Jahr vergangen. „Ich erinnere mich sehr gut, als im Dezember endlich ein positives Feedback von Hellmut Pock, Leiter des Liegenschaftamtes, kam. Das war für mich wie ein riesiges Weihnachtsgeschenk.“ Pock zog zwei geeignete Flächen aus seiner Schreibtischschublade: Ein Grundstück lag im Steinbruch Rambach, das andere im Heidestock 2. Den Zuschlag bekam die Kloppenheimersteige/Flandernstr, wie sie in den Lageplänen offiziell heißt. Die Entscheidung für diesen Standort war relativ einfach, da der Steinbruch zwar landschaftlich sehr reizvoll ist, aber die Zufahrt am Abend, insbesondere für Jugendliche, nicht ohne Risiko erschien.
Ein entscheidender Schritt war getan. Als nächstes stellte Dr. Brandrup im Juni 1976 eine Bauvoranfrage für das 11 430 qm große Gelände, die intensiv von dem damaligen Oberbürgermeister Rudi Schmitt, dem Vorsitzenden des Sportausschusses Claus Rönsch und den Fraktionsvorsitzenden der einzelnen Parteien begleitet wurden. Denn die Verpachtung städtischen Eigentums bedurfte der Zustimmung von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung. Die Anfrage wurde im Januar 1977 positiv mit bestimmten entwässerungstechnischen Auflagen beschieden. Voraussetzung war ferner die Gründung eines Vereins, an den die Flächenübergabe im August 1977 erfolgte und mit dem der Erbpachtvertrag auf 50 Jahre geschlossen wurde.
VereinsgründungEtwa zur gleichen Zeit wollte auch der Neu-Wiesbadener Dr. Eike Friedrich seinen sportlichen Tennisambitionen in einem Wiesbadener Club nachkommen. Von einem Kollegen seiner neuen Arbeitsstätte der Klinik am Bingert erfuhr er von dem geplanten Vereinsprojekt in Sonnenberg. Auch Peter Kuhrt, Bewohner von Sonnenberg, klopfte an den Türen der „vornehmen“ Clubs der hessischen Landeshauptstadt. Jedoch vergeblich. Von den Stadtvätern wurde er dann an Dr. Brandrup verwiesen. Es sprach sich herum wie ein Lauffeuer, jeder hatte einen Bekannten, der Tennis spielen wollte, aber nicht durfte. So stieß auch der Apotheker Roland Janka, mit dem Dr. Friedrich geschäftlich verbunden war, in die neue Tennisrunde um Johannes Brandrup. Und der zeigte sich hocherfreut über die großartige Resonanz und lud alle Interessenten im Januar 1977 zu einem gemeinsamen Treffen in sein Haus am Allersberg ein. „Dort begegneten wir weiteren Wiesbadener Tennis-Leidensgenossen: Joachim Lauterbach, Dr. Hans-Günter Oehlert und Werner Herborn“, erinnert sich Dr. Friedrich. Zu dieser Runde gesellte sich der Leiter des Hessischen Tennisverbandes (HTV) und des Deutschen Tennisbundes (DTB) Dr. Karl-Ludwig Pracht, der ebenfalls sehr interessiert war, da er ein Haus in Sonnenberg gekauft hatte und zudem in seiner Funktion als Wiesbadener Notar dem Tennisteam mit Rat und Tat hilfreich zur Seite stehen konnte. „Die Stimmung war phantastisch, unsere Euphorie grenzenlos. Ich war meinem Ziel einen großen Schritt näher gekommen. Endlich kannte ich sieben „ehrenwerte“ Wiesbadener Mitbürger, die laut Vereinssatzung zur Eintragung eines Vereins beim Amtsgericht erforderlich sind“, so Dr. Brandrup. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Nachdem die Genehmigung des Bauvorhabens vorlag, erarbeitete das achtköpfige Team eine Vereinssatzung. Am Faschingsdienstag, den 22. Februar 1977 war es endlich soweit: Gründung des Tennisclubs am Bingert, kurz: TCaB.
Bau von Anlage und ClubhausMit der Vereinsgründung wurden die weiteren erforderlichen Aktionen auf mehrere Schultern verteilt. Jeder musste ran und seinen Beitrag leisten. Und das taten die Gründungsmitglieder Dr. Johannes Brandrup und seine Ehefrau Galia, Dr. Eike Friedrich, Werner Herborn, Roland Janka, Peter Kuhrt, Joachim Lauterbach, Dr. Hans-Günter Oehlert und Dr. Karl-Ludwig Pracht mit großem Einsatz und Engagement. Zunächst wurden ein Bauantrag für vier Sandplätze erarbeitet und zahlreiche Angebote eingeholt. Die Kosten beliefen sich auf rund 200 TDM für vier Sandplätze sowie auf 160 TDM für ein schlichtes Vereinshaus. Diesen Kosten standen als Einnahmen nur die Aufnahmegebühren und Jahresbeiträge von 40 Mitgliedern in Höhe von insgesamt 41 TDM gegenüber. Nach Abzug der Kosten für die Platzpflege verblieben demzufolge noch rund 20 TDM/Jahr. Es wurde deshalb der Entschluss gefasst, zunächst nur vier Plätze zu bauen und den Bau eines Clubhauses erst dann zu beginnen, wenn durch Aufnahme weiterer Mitglieder die Finanzierung gesichert sei. Im Oktober begann das Tennisteam mit einer gezielten Werbung neuer Clubmitglieder. In Zeitungen, lokalen Geschäften und an Laternenmasten machten sie auf den neuen Sonnenberger Tennisverein aufmerksam. Bereits zwei Monate später zählte der Verein 45 männliche, 40 weibliche und 26 Jugendliche als Mitglieder. „Ende 1977 hatten wir zwar noch keinen einzigen Tennisplatz, dafür aber schon 152 Mitgliedern. Die Resonanz war überwältigend“, schildert Gründungsmitglied Peter Kuhrt den Start des neuen Vereins.
Nach einigen zeitlichen Verzögerungen - den städtischen Behörden lagen keine gültigen Lagepläne vor - konnte der Bauantrag Anfang 1978 eingereicht werden. Der Baubeginn erfolgte am 8. Mai 1978. Neun Wochen später, am 15. Juli 1978, fand die offizielle Einweihung der vier neuen Sandplätze durch den damaligen Oberbürgermeister Rudi Schmitt, den Leiter des Sportamts Emil Haas und Hellmut Pock, Leiter des Liegenschaftsamts, statt.
Die Planungen für das Clubhaus begannen 1978. Und das war auch dringend erforderlich, denn für einen Bauwagen als Umkleidekabine und ein Toilettenhäuschen, dass quasi im Freien stand, konnten sich die Mitglieder nicht so recht begeistern. Die Baugenehmigung erfolgte im Juli 1979. Zu einem Festpreis von 160 TDM wurde im November 1980 das neue Vereinshaus eingeweiht. Angesichts der steigenden Mitgliederzahl wurden im gleichen Jahr zwei weitere Sandplätze für rund 80 TDM gebaut. „Eine Flut von neuen Aufnahmeanträgen überrollte uns förmlich“, berichtet Dr. Brandrup. „Das führte leider dazu, das wir viele Anträge ablehnen mussten. Damit waren wir drei Jahre nach unseren eigenen bitteren Erfahrungen in der Wiesbadener Tennisszene in der gleichen Situation. Und das haben wir alle sehr bedauert“, gibt Dr. Brandrup offen zu. Dennoch 15 Monate nach Vereinsgründung war es dem neunköpfigen Team gelungen, einen hervorragenden Spielbetrieb in Sonnenberg aufzubauen. Und darauf waren sie zu recht mächtig stolz. Dass dies innerhalb so kurzer Zeit möglich war, verdankt der Tennisclub nicht zuletzt auch der Stadt Wiesbaden, die mit Zuschüssen einen wichtigen Beitrag zum Aufbau geleistet hat. „Insbesondere dem Sportamt und dem Liegenschaftsamt müssen wir ein hohes Lob für die gewährte Unterstützung unseres Projekts aussprechen“, erklärt Dr. Brandrup.
Mit Begeisterung und enormen Eigenleistungen waren die Clubmitglieder in den folgenden Jahren dabei, ihre Tennisanlage zu verschönern. Der großartige Einsatz wurde auch entsprechend gewürdigt, als der Wiesbadener Kurier in den 80er Jahren über den „schönsten Tennisclub in Wiesbaden“ berichtete. Die Zeit der aktiven Gestaltung war eine Zeit des Aufbruchs. Viele Freundschaften entstanden damals, die bis auf den heutigen Tag gehalten haben. Feste, Freitagstreffs, gemeinsame Wanderungen und natürlich der sportliche Einsatz um Punkt, Spiel, Satz und Sieg schafften einen sozialen Treffpunkt, zu dem Mitglieder und Freunde gerne kommen. Und das dies auch in Zukunft so bleiben wird, davon ist Dr. Johannes Brandrup fest überzeugt.